Ausgewählte Kritiken

Bonn: Schreker, Irrelohe
Graf Heinrich

Giessener Allgemeine (10.11.)
Durchweg überragende Sänger. Mit seinen geschlossenen Ensembleleistungen hat sich die Bonner Oper in den letzten Jahren zu einem führenden Haus der Region gemausert. Auch bei "Irrelohe" ist daran nicht zu rütteln.Und mit den kapitalen Stimmen von Roman Sadnik (Heinrich), Ingeborg Greiner (Eva) lassen sich sogar die "Tristan"-würdigen Schwellen der Partitur beeindruckend meistern.

Kulturkenner.de (13.11.)
Exzellent singt und spielt das Liebespaar: Roman Sadnik als Heinrich mit fulminanten Tenor-Höhen und Ingeborg Greiner als Eva mit warm timbriertem Sopran. Eine exemplarische Aufführung. Schrekers visionäre, soghafte Musik besitzt unerhört sinnliche Wucht, stets dicht dran an den Figuren, ihren Ängsten und Obsessionen. Mal spätromantisch opulent, dann schneidend dissonant tönt es aus dem riesig besetzten Orchester, manches erinnert an Wagner, anderes an Filmmusik der großen Hollywood-Zeit. Eine überfällige Wiederentdeckung also.

Deutschlandradio (8. November 2010)
In Bonn wurde "Irrelohe" erfolgreich in Szene gesetzt. Schreker hat eine unverschämt sinnliche, vor keinem prallen Theatereffekt zurück schreckende Musik geschrieben. Wagnerstimmen sind gefragt, um diese Oper auf die Bühne zu bringen, Sänger, die große Kraft und Kondition mit der Fähigkeit zu lyrischen Zwischentönen verbinden wie Roman Sadnik als Graf Heinrich - laut Libretto ist dieser Irrelohe ein Intellektueller, der in der Weltabgewandtheit Erlösung sucht, auf der Bühne aber wirkt er wie ein durchgeknallter Jungunternehmer, der einem Sportwagen ähnlich viel erotische Aufmerksamkeit schenkt wie Eva. Zu einem Dauergast auf den Musiktheaterspielplänen wird die "Irrelohe" trotz dieser gelungen Aufführung nicht werden. Der Aufwand ist riesig, vergleichbar einer Wagner-Oper.

Bonner Generalanzeiger (9. November 2010)
Der Graf entbrennt sofort in heißem Verlangen, kann aber letzter Sekunde das "wilde Tier" in sich bändigen. Schrekers rauschhafte Musik hält inne, beginnt ein zartes Liebesduett zu umspielen, bei dem Wagners "O sink hernieder, Nacht der Liebe" aus dem Tristan hörbar Pate stand. Gesungen wird in "Irrelohe" auf höchstem Niveau: Der Tenor Roman Sadnik bringt die lyrischen Qualitäten und die nötige Durchschlagskraft für die schwere Partie mit.
Die Inszenierung: Klaus Weise erzählt die Geschichte spannend und findet überzeugende Bilder. Großartige Sänger und das riesig besetzte Beethoven Orchester sorgen unter Stefan Blunier für ein Ereignis.


Frankfurter Allgemeine Zeitung (9. November 2010)
... die Sänger werden allesamt bis über ihre Grenzen gefordert?

Neuer Merker (11.11.2010)
Dass es nach der exorbitanten TURANDOT noch eine Steigerung in Bonn geben könnte, schien unvorstellbar. Doch was Ingeborg Greiner (Eva) und Roman Sadnik (Heinrich) an diesem Abend leisten, ist ungeheuerlich. Bei Schreker gibt es kaum richtige Arien, dadurch werden die Sänger extrem gefordert, oft aus dem Stand ins sofortige Fortissimo gezwungen bzw. sie müssen Linien singen, die sich nicht direkt aus der Musik, den Noten ergeben. Schreker erfordert allerhöchste Konzentration.

Rheinische Post (10.11.)
Exzellent bewältigen die Solisten ihre halsbrecherischen Partien, wie Roman Sadnik als Graf Heinrich. Es sind allesamt zerrissene, traumatisierte, schuldhaft verstrickte und mit dunkeln Trieben ringende Figuren, die Schreker unter dem Einfluss der noch jungen Psychoanalyse formte. Seine Musik ist von unerhört sinnlicher Wucht. Mal spätromantisch blühend, dann schneidend dissonant tönt es aus dem Graben, manches erinnert an Wagner, manches an die dräuende Filmmusik der großen Hollywood-Zeit. Stefan Blunier bändigt den monströsen Orchesterapparat souverän, und lässt Schrekers fiebrige Extasen glühen. Eine insgesamt exemplarische Aufführung.

Kölner Stadt-Anzeiger (9. November 2011)
Einnehmende Premiere von Franz Schrekers "Irrelohe" an den Bonner Bühnen. "Irrelohe" ist eine schöne Oper auf hochromantischer Basis. Die Bonner Oper konnte profilierte Sänger aufbieten: Sehr gut verlebendigen die Tenöre Roman Sadnik (Heinrich) und Mark Rosenthal (Christobald) ihre Sehnsüchte.

Deutsche Welle (8. November 2010)
Und so gelang den Bonnern denn ein Abend opulenter Klänge, ein Fest ausschweifenden Gesangs, so ist das auch eine späte Genugtuung für ein lange missachtetes Werk. Der Erfolg gibt den Beteiligten nun recht. In der Tat: obwohl die Protagonisten - Roman Sadnik als Graf Heinrich, Ingeborg Greiner als Eva, Mark Morouse als Peter - überaus gut disponiert waren hatten sie gelegentlich Mühe, sich gegen das in jeder Hinsicht großartig aufspielende Beethoven-Orchester durchzusetzen.


Peter Steins "LULU": Die wilde Schönheit der Moderne
Wilhelm Sinkovicz (Die Presse, 1.5.2009)

In Lyon brachte der Meisterregisseur eine fulminante Inszenierung der dreiaktigen Fassung von Alban Bergs Wedekind-Oper heraus. 2010 wird diese Produktion von den Wiener Festwochen nachgespielt.

Eine aufregende Opernproduktion der Wiener Festwochen - und das angesichts des notorisch dürren, völlig uninspirierten Musikprogramms? Tatsächlich, Peter Steins Inszenierung von Alban Bergs "Lulu" in der dreiaktigen Fassung von Friedrich Cerha ist ein Wurf. Allerdings hatte sie in Lyon Premiere. Doch immerhin gastiert sie kommendes Jahr in Wien, wenn auch in teilweise veränderter Besetzung. Peter Steins Arbeit aber bleibt erhalten. Und sie ist eine Meisterleistung, modelliert aus den Darstellern Wedekinds Figuren, in Bergs Dramaturgie. Die ist rigider, subtiler entwickelt und voll von Querverbindungen, an die der Analytiker Berg, nicht aber der Dichter je gedacht hat.

Der Theatertüftler Stein lauscht des Komponisten Präzisierungsarbeit, leistet sich keinen Fauxpas gegenüber den dramaturgischen Vorgaben der Klänge, die so suggestiv und eindeutig nicht nur Charaktere zeichnen, sondern auch choreografische Details. Dass Doktor Schön im zweiten Bild nicht irgendwann, sondern präzis beim Eintritt jenes Streicher-Adagios durch die Tür kommt, die Berg dieser Figur im symphonischen Ablauf seines Werks zugedacht hat, mag als ein Detail unter Hunderten herausgegriffen sein.


Regie im Einklang mit der Musik

Der Stein'sche Theaterrealismus ist das ideale Äquivalent von Bergs musikalischem Streben nach Wahrhaftigkeit. Er trifft in die Magengrube. Faszinierend, dass der Regisseur eben dort, wo die Partitur sogar die filmische Umsetzung klingender Figuren - und die akkurate Spiegelung akustischer Vorgänge bei der Gefangennahme und Befreiung Lulus - vorsieht, auf die Bebilderung verzichtet. Statt cineastischer Illustration projiziert man in Lyon lediglich Bergs akribische Textvorgaben - und überlässt die Dechiffrierung der tönenden Bilder dem Hörer.

Womit dieser einmal an diesem Abend auf seine eigene Imaginationskraft angewiesen ist, was angehörs der von Chefdirigent Kauzushi Ono mit großer Sorgfalt zelebrierten, klaren und bemerkenswert idiomatischen Wiedergabe der Partitur durch das Lyonnaiser Orchester nicht schwerfällt.

Auch die Sänger führt der Dirigent mit Gefühl. Die Besetzung ist offenkundig nicht nur nach optischen Gesichtspunkten ausgewählt worden, obwohl jeder Einzelne der Darsteller sogar in einer Verfilmung der "Lulu"-Dramen gute Figur machen würde. Auch der vokale dieser Produktion ist stupend. Voran die Titelheldin der Laura Aikin brilliert als Femme fatale wider Willen. Akustische wie optische Koketterien serviert sie mit Unschuldsmiene und hat weder mit den Koloraturen noch mit der tiefen Lage entscheidender Passagen Mühe. Ihr Sopran scheint für die Partie ideal entwickelt.

Hedwig Fassbender als Geschwitz, Stephen West als Dr. Schön, Paul Gay als Dompteur/Athlet und Robert Wörle in etlichen kurzen, doch dramaturgisch entscheidenden Kleinstrollen agieren und singen untadelig. Franz Mazuras Schigolch wandert als geradezu mythische Figur durch die Zeiten - beeindruckend, nicht nur, weil der Sänger jüngst auf der Bühne seinen Fünfundachtziger feierte. Die beiden Tenöre jedoch, Roman Sadnik als Maler und vor allem Thomas Piffka als Alwa, beweisen auf in diesem Zusammenhang ungewohnt virtuose und sichere Weise, wie konsequent Bergs Musik aus der musikalischen Romantik herauswächst: Da werden Kantilenen, weite melodische Bögen gesungen, nicht einzelne Töne.


Keine Angst vor der "Zwölftonmusik"

Dass es sich hier um ein Werk der sogenannten Zwölftonära handelt, jagt heute offenbar keinem Interpreten mehr Angst ein. Nun muss sich auch das Publikum nicht mehr fürchten: Wir gehen einer Zeit des souveränen Umgangs mit der musikalischen Avantgarde von anno dazumal entgegen.

Das ist die eine Lehre aus dieser Premiere. Die andere: Wenn die szenische Realisierung so "stimmt" wie hier - in der Szenerie Ferdinand Wögerbauers, die vom Maleratelier über den großbürgerlichen Salon bis zur Dachkammer einfach ausschaut wie ein Bühnenbild für die Oper "Lulu" (danke vielmals!) -, dann wirkt die dreiaktige Version keineswegs zu lang, sondern goldrichtig! Einzig insistenter Kritikpunkt: Die Ensembles des Paris-Bildes arten in undurchdringliche akustische Schreigemetzel aus. Das mag die Symmetrie zur entsprechenden Nummer des Varieté-Bildes im ersten Akt bilden, doch hätte Berg hier vielleicht doch noch entschärfend eingegriffen. Wie auch immer: Die Festwochen bieten einen exzellenten Musiktheaterabend.


Fiancial Times
This time-warp impact is reinforced by Stein's scrupulous deference to the original stage directions and props, down to the shepherd's crook Lulu carries for her portrait sitting. But it is the acting and expert storytelling that dominate this Lulu, spotlighting Stein's strengths and winning us over. He steers us confidently through Lulu's multiple mood swings and creates unbearable tension in an admirable crescendo leading to the painter's suicide where every gesture has been rigorously, realistically choreographed. Some techniques don't date. Roman Sadnik is wincingly effective as the self-deluding painter.

NZZ
... Roman Sadnik als Maler/Neger... das glänzend besetzte Solisten-Ensemble...